Am Sonntag, dem 22. Januar 2023, fand in der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten Hof um 17:00 Uhr das erste Konzert der wieder aufgenommenen Reihe „Gitarrenhighlights“ statt. Dietmar Ungeranks Jahrzehnte erfolgreiche, internationale Gitarrenabende im Klostercafé wurden nun an einem neuen Ort durch seine Gitarrenschule „Freunde der Gitarre“ wiederbelebt. Der japanische Gitarrist Yoshimasa Yoshida knüpfte an die weltweiten Gäste von damals an und Michael Thumser schrieb die folgende Kritik im Hochfranken-Feuilleton:

STEGE ZWISCHEN FLUSS UND HÜGEL

Freunde des gepflegten Saitenspiels dürfen sich freuen: Dietmar Ungerank nimmt die von ihm bis 2017 organisierte Reihe der Hofer „Gitarrenhighlights“ wieder auf – vorerst probehalber. Beim Auftakt bekennt sich der Japaner Yoshimasa Yoshida als Verehrer Bachs und gibt dem Gastgeber die Ehre.

Yoshimasa Yoshida in der Kapelle der Siebenten-Tags-Adventisten: Einer von der ganz diskreten Art. (Foto: Michael Thumser)

Von Michael Thumser

Hof, 24. Januar – Die Gitarre, kein Zweifel, ist seine Leidenschaft. Aber er tut alles, damit man es nicht sieht. Den erfreulich zahlreichen Besucherinnen und Besuchern, die am Sonntagnachmittag in Hof dem Japaner Yoshimasa Yoshida zuhörten und -sahen, leuchtete noch vor den ersten Takten, bei seinen bescheidenen, fast schüchternen Verbeugungen ein, dass da kein rassiger Gitarrero vor ihnen Platz nahm. Der Künstler – vor 61 Jahren in Tokio geboren, in seiner Heimat und Deutschland ausgebildet und in vielen Teilen der Welt unterwegs –, er ist einer der ganz in sich gekehrten Sorte.

     Dass er in die Saiten greife, ist beinah schon zu viel gesagt: kaum dass er sie anrührt, tangiert, betastet und befühlt. Unter den Musikern gehört Yoshida einer betont diskreten, leisen Spezies an. Sobald er, nach wiederholtem, akribischem Stimmen seines Instruments, die ersten Klänge intoniert, zieht sein Körper sich zusammen, kehrt seine Mimik sich ganz ins Innere weg, und das einzige Außen, das sein Blick gebannt erfasst, ist die linke Hand, die am Gitarrenhals die haarsträubendsten Akkorde greift.

„Eine schöne Bilanz“

Zum vierten Mal gastiert er in der Stadt. Eingeladen hat ihn der namhafte Hofer Gitarrist, Komponist und Pädagoge Dietmar Ungerank, wie schon zu den drei Auftritten zuvor; und neuerlich zu einem „Gitarrenhighlight“. Jene unter Kennern hochgeachtete Konzertreihe gab es schon einmal, 25 Jahre lang, bis sie 2017 endete: nach 261 Programmen mit 166 regionalen, nationalen und internationalen Künstlern – eine „schöne Bilanz“, sagt Ungerank mit berechtigtem Stolz. Nun soll, günstigenfalls, die Reihe neu beginnen: Nach dem Start in der – akustisch wie dafür geschaffenen – Kapelle der freikirchlichen Siebenten-Tags-Adventisten will Ungerank den „Versuch“ wagen und probehalber vorerst weitere drei Mal zu intimem Saitenspiel einladen, allerdings nicht mehr, wie einst, an den Freitagabenden der Hofer Symphoniker-Konzerte, sondern an sonntäglichen Spätnachmittagen – wahrlich ein guter Zeitpunkt, um vor dem Ende des Wochenendes lauschend noch einmal zur Ruhe zu kommen.

     Dabei hilft Yoshimasa Yoshida nach Kräften: wohlgemerkt mit stillen, wohldosierten Kräften. Ein Präludium – Vorspiel – steht sinnreich am Beginn seiner Darbietungen, ein Stück, das der polnische Renaissancemeister Jakub Reys alias Polak für die gelinde Laute schuf. Entsprechend versonnen vertieft sich der Interpret in die Mehrstimmigkeit des dezenten Werks, an das er, überraschend stimmig, fast wie eine unumgängliche Fortsetzung Akira Mitakes Miniatur „Kawa no nagare no you ni“ aus dem Jahr 1989 anschließt. Melancholisch singt sich da ein zartes Lied ohne Worte aus.

An der Grenze zur Unspielbarkeit

Als bekennender Verehrer Johann Sebastian Bachs stellt Yoshida gewichtig und ausführlich eine Schöpfung des Großtonsetzers ins Zentrum seines Gastspiels; kein Originalwerk indes, sondern eins für Violine. Von ihm selbst stammt die Bearbeitung der a-Moll-Sonate BWV 1003, und sie ist ihm, wie er lächelnd bemerkt, „sehr schwierig“ geraten. Tatsächlich: eine Version  an der Grenze zur Unspielbarkeit. Sogar ein Könner wie er bringt sie nicht ganz makellos über all ihre fingerverkrümmenden Klippen. Gleichwohl virtuos überträgt er die bereits in der Originalfassung stupende Polyphonie der Sätze auf sein Instrument, schwerblütig im anfänglichen Grave, noch verwickelter in der folgenden Fuge, die er mit verhaltener Geläufigkeit durchquert. Träumerisch erhebt er sodann die Melodie des Andante über den gleichmäßigen Puls einer sacht voranschreitenden Grundlinie, um zu guter Letzt, selbstbewusst im Kontrast dazu, mit dem Final-Allegro einen vergleichsweise beherzten Punkt hinter alles zu setzen. So verbinden sich in Yoshidas Penibilität die seriöse Feierlichkeit der barocken Tonsprache mit der bis heute unüberhörbaren Lust Bachs daran, sie besser beherrscht zu haben als irgendjemand sonst.

     Deutlich berechenbarer, ostentativ traurig schließt sich eine Pièce Astor Piazzollas an, auch ein „Gran Vals“ von Francisco Tárrega, ein (nicht sehr) großer Walzer also, bei dem Yoshida mit einer Spur Schmäh in seinen glissandierten Tönen nicht so sehr an Spanien wie an Wien erinnert. Dann erweist der Interpret dem Gastgeber die Ehre: Den offiziellen Beschluss (vor zwei Zugaben) macht er mit dessen „Intonation und vier Klangbildern“ nach Arbeiten des 1949 in Wuhan geborenen Malers Xiaobai Su. Auf ihre Komposition bereitete sich Dietmar Ungerank durch gründliche Studien chinesischer Musik vor. Die, lässt er das Publikum wissen, habe er sich offenbar so authentisch anverwandelt, dass der Schöpfer der Bildvorlagen beim Hören vermutete: „Das muss von einem Chinesen stammen.“

Doppelte Poesie

Nicht exotistisch, also unstatthaft durch „kulturelle Aneignung“, näherte sich der Komponist dem fremdländischen Idiom. Doch ausdrücklich exotisch, im Sinn von unbekannt, indirekt, verschlüsselt, klingt sein Zyklus in einheimischen Ohren schon. Mit eigens umgestimmter Gitarre meditiert sich Yoshimasa Yoshida durch die Sätze mit ihren sich wandelnden Energiegraden, Stimmungslagen, Artikulationsweisen.

     Ähnlich dem „Klangbild“ Akira Mitakes, dessen Titel übersetzt „Wie das Fließen des Flusses“ lautet, tragen auch hier die Sätze augenfällige Überschriften: „Sich erstreckender Steg mit seinen Schatten“, „Wind auf dem Hügel“ … Die Poesie der Worte stützt die der Klänge. Durch Gleichmaß und Mäßigung, Friedlich- und Stetigkeit  verlocken sie, nicht durch Langeweile oder einen Mangel an Leidenschaft, wohl aber durch die heilsame Wirkung sedierender Monotonie.

Nächstes „Gitarrenhighlight“: Rezital von Anne Haasch am 19. März um 17 Uhr in der Kapelle der Hofer Adventgemeinde.

– Michael Thumser für Hof, Hochfranken-Feuilleton, Januar 2023 (online)

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