
Hof. Das 15. Konzert der „Freunde der Gitarre“ in der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten war ein besonderes Konzert: Álvaro Pierri kehrte zurück nach Hof. Dietmar Ungerank begrüßte als Veranstalter das Publikum und erzählte, dass Pierri viele Jahre Stammgast beim Internationalen Gitarrrenfestival Hof und bei der Gitarrenreihe im Klostercafé war. 40 Jahre sei es her, dass er das erste Mal in Hof konzertierte.
Voller Spannung erwartete der mit Gitarrenfans voll besetzte Saal den Weltstar aus Uruguay, Álvaro Pierri. Einige Augenblicke später betrat dieser die Bühne. Die Freude in Hof zu spielen, war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Er lächelte ins Publikum und kommentierte selbstironisch: „Wenn ich pünktlich wäre, wäre es auch irgendwie komisch.“
Der Abend begann in ruhigem Gestus mit zwei Ricercari und einem „Danza Alpina“, komponiert von dem italienischen Komponisten Francesco Cánova da Milano. Dessen Stil ebnete den Übergang von der Musik des Mittelalters zu den neuen Ausdrucksformen der Renaissance, wie dem Ricercar. Das italienische Verb „ricercare“ bedeutet „suchen“ und beschreibt treffend das Streben, musikalisch Neues zu erkunden. In diesen frühen Werken zeigte sich, wie Pierri feine melodische Linien in der polyphonen Struktur klar und präzise herauszuarbeiten vermochte. Der tänzerische Charakter der „Danza Alpina“ hingegen brachte einen Hauch von Leichtigkeit in den Konzertsaal.
Mit der „Suite España“, Op. 165, entführte Pierri das gebannte Publikum in die romantische Welt von Isaac Albéniz, dessen Leidenschaft die Folklore Spaniens war. Das „Preludio“ präsentiert sich mit erhabenen, säulenartigen Akkorden, durchbrochen von spanischen Melodien. Der darauffolgende „Zortzico“, ein Tanz aus dem Baskenland, sprühte vor rhythmischer Energie, die Pierri beeindruckend agil und mit dynamischer Bandbreite entfesselte. In dem fantasieartigen „Capricho Catalán“ gelang es Pierri mit warmen Ton und mannigfaltigen Klangfarben die weite katalanische Landschaft vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen: Die schroffen Gipfel der Pyrenäen senken sich zu sanften Hügeln mit Olivenhainen und Weinbergen hinab, bevor sie in goldene Strände und das azurblaue Mittelmeer übergehen. Das Ende der spanischen Reise bildeten die „Sevillanas“, die Pierri mit feurigem Temperament zum Leben erweckte. Er gestaltete sowohl die virtuosen Passagen als auch die pulsierenden Rhythmen mitreißend.

Die „Sonata Nr. III“ des mexikanischen Komponisten Manuel María Ponce bildete zweifellos den Höhepunkt des Abends. Pierri eröffnete den ersten Satz „Allegretto“ technisch brillant. Das ruhige „Chanson“ berührte mit seiner schlichten Schönheit und dem innigen Ausdruck, den Pierri der Melodie verlieh. Das lebhafte „Allegro“ forderte erneut Pierris ganze Virtuosität heraus. Die schnellen Läufe und rhythmischen Finessen meisterte er souverän. Seine Interpretation der Sonate vermittelte komplexe musikalische Gedanken klar und nachvollziehbar, wie es selten einem Interpreten gelang.
In der nachfolgenden Ansage sagte er: „Mich verbindet eine lange und alte Freundschaft mit Dietmar Ungerank.“ Deswegen kreierte er aus seinem damaligen Repertoire der Hofer Konzerte in den 80er Jahren ein Potpourri, das er selbst als “Brasilianischen Salat” bezeichnete. Alle „Zutaten“ stammen von brasilianischen Komponisten. Als erstes war der berühmte Choro „Sons de Carrilhões”, „Klänge des Glockenspiels”, von João Pernambuco zu hören. Schmunzelnd und in Erinnerungen schwelgend sagte er: „Diesen Choro habe ich 1985 in Hof gespielt.“ Nach einer Gedankenpause ergänzte er: „Jedoch nicht im Konzert, sondern eher nach dem Konzert … in der Kneipe.“ Anschließend folgte “Senhorina” von Guinga, der eigentlich Carlos Althier de Souza Lemos Escobar heißt. Als letztes verfeinerte er seinen “Salat” mit Heitor Villa-Lobos‘ anspruchsvollen Etüde 4 und 12.
Als Kind lernte Pierri die berühmte Gitarristin Maria Luisa Anido persönlich kennen, da sie mit seiner Tante Olga Pierri befreundet war. Ihre Werke „Preludio Pampeano ‚Aire Norteño‘ “ und „Aire Norteño“, der Nordwind, beendeten das Konzert fulminant. Pierri ließ den stürmischen Nordwind durch den Saal fegen. Das begeisterte Publikum bedankte sich mit einem nicht enden wollenden Applaus. Als Zugaben folgten zwei kleine, bescheidene Lieder: „Canciones de mi pueblo“, „Lieder aus meinem Dorf“, und die „Milonga campera“ aus der Feder seines Opas Jose Pierri Sapere. – Eva Wolff Fabris
